Solidarität – Teil 1
Gedanken zur Notwendigkeit der (Wieder)Entdeckung der Solidarität in der Sozialen Arbeit
von MECHTHILD SEITHE
Soziale Arbeit ist bekanntlich einerseits eine Instanz, die das gesellschaftliche System stabilisieren hilft, aber gleichzeitig auch eine politische Kraft, die mit Blick auf die gesellschaftlich induzierten Problemlagen von Menschen im kapitalistischen Gesellschaftssystem eine kritische Sicht auf die gesellschaftlichen
Verhältnisse entwickelt (vgl. z.B. Böhnisch et al. 2005, S. 103), politisch aktiv werden und die Menschen befähigen kann, sich gegen das System und seine Zumutungen zur Wehr zu setzten.
Das Verständnis der Sozialen Arbeit als politische Kraft schlägt sich in ihren ethischen Grundhaltungen und ihrem Aufgabenverständnis nieder: in der Parteilichkeit (mit der Klientel) und in der Solidarität (mit Gleichgesinnten). Es verknüpft das berufliche und (sozial-) politische Handeln auf verschiedenen Ebenen
miteinander. Parteilichkeit für die Klientel der Sozialen Arbeit ist das Bemühen – trotz des immer auch bestehenden gesellschaftlichen Auftrages –, sich im Sinne des
Mandates für die Menschen, für deren Bedürfnisse und Bedarfe einzusetzen und mit ihnen zusammen deren Interessen zu verteidigen – im Zweifel auch gegen die Interessen des Systems (vgl. z. B. Thiersch 1993, S. 13). In jüngster Zeit gerät die Parteilichkeit immer mehr in Verruf und wird als unwissenschaftlich und nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Solidarität bedeutet, sich mit anderen Menschen zusammen
für die gemeinsamen Interessen einzusetzen, sich dabei gegenseitig zu stützen und gemeinsam gegen die Verhältnisse zu kämpfen, die diesen Interessen im Wege stehen. Sie kann sich auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt werden.
- Parteilichkeit und Solidarität sind keine Nächstenliebe
- Der Verlust des professionellen Kerns der Sozialen Arbeit
- Die neoliberale Umkremplung und ihre Folgen für das Verständnis von Parteilichkeit und Solidarität
- Mit der Solidarität macht der Neoliberalismus erst recht kurzen Prozess
- Gewerkschaftliche oder berufspolitische Organisation – wozu soll das gut sein?
- Wie steht es um das aktuelle politische Selbstverständnis der Sozialarbeitenden?
- Was wäre zu tun? Was könnte das solidarische Bewusstsein in der Berufsgruppe wecken?
Hier kann weitergelesen werden: Solidaritaet-1
Autorin PROF. DR. MECHTHILD SEITHE ist seit 1983 Hochschullehrerin an der FH Jena. Davor arbeitete sie 18 Jahre in der Praxis, u.a. im Bereich Erziehungsberatung und im Jugendamt (Krefeld, Remscheid, Wiesbaden). Von Haus aus ist sie Psychologin, hat während ihrer Praxiszeit im Rahmen einer Externenprüfung in Frankfurt a. M. das Diplom als Sozialarbeiterin abgelegt. Der Artikel ist entnommen der Sondernummer der deutschen Zeitschrift “Forum Sozial” mit dem Titel: “Solidarität in der sozialen Arbeit”.